Emil Georg Bührle
Rüstungsindustrieller und Kunstsammler • 1890-1956

1890-1923: Die frühen Jahre, Studium, Erster Weltkrieg, Heirat, Beruf

31. August 1890: Geburt von Emil Georg Bührle im badischen Pforzheim als Sohn eines Beamten. Im Gymnasium begeisterte er sich erstmals für Kunst und Literatur. Bührle blieb ein aktiver Anhänger der christkatholischen Konfession, die in seinem Elternhaus befolgt wurde.

1909 immatrikulierte sich Emil Bührle an der Grossherzoglich Badischen Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau für das Studium der Philologie. Im Winter-Semester 1910/11 folgte er an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Vorlesungen zur Kunstgeschichte und besuchte die Ausstellungen und Museen der bayrischen Hauptstadt. Zurück in Freiburg nahm Bührle regelmässig an den Übungen teil, die Professor Wilhelm Vöge zur gotischen Skulptur veranstaltete. An eine Reise nach Berlin 1913 wird sich Bührle zeitlebens erinnern: Er sah dort in der Nationalgalerie erstmals Bilder französischer Impressionisten. Ihr Kauf hatte eine politische Auseinandersetzung ausgelöst, die mit der Entlassung des Museumsdirektors durch den deutschen Kaiser geendet hatte.

Vorlesungsnotizen Emil Bührles vom 30. Juli 1914, oben links Vermerk: Kriegsgefahr!

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 wurde Emil Bührle zum 3. badischen Dragoner-Regiment eingezogen. Seit Juli 1916 führte er als Leutnant einen Maschinengewehr-Zug auf Kriegsschauplätzen an der deutschen Ost- und Westfront.

Nach dem Waffenstillstand vom November 1918 und dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wurden Teile des deutschen Heeres weiterhin mobil gehalten, um revolutionäre Unruhen in ganz Deutschland zu kontrollieren. Emil Bührle wurde mit seiner Einheit nach Magdeburg verlegt und im Haus des Bankiers Ernst Schalk einquartiert. Er verlobte sich mit der Tochter Charlotte Schalk im Oktober 1919 und trat in die Magdeburger Werkzeug- und Maschinenfabrik ein, an der sein Schwiegervater beteiligt war. Nach der Heirat 1920 wechselte Emil Bührle zu einem Aussenbetrieb des Magdeburger Werks in Ilsenburg am Harz und machte sich dort mit der technischen Seite seiner neuen Aufgabe vertraut.

Illustration aus einer Geschichte des Regiments, in dem Emil Bührle diente
Charlotte Schalk und Emil Bührle bei ihrer Verlobung, Oktober 1919

1924-1939: Einwanderung in die Schweiz und selbstständiger Unternehmer

Im Auftrag seines Arbeitsgebers traf Emil Bührle anfangs 1924 in Zürich ein und übernahm die Leitung der Schweizerischen Werkzeugmaschinenfabrik in Oerlikon, welche die Magdeburger Firma im Vorjahr gekauft hatte. Wenig später erwarb Bührle das Patent für ein 20-mm-Geschütz des deutschen Ingenieurs Reinhold Becker. Dieser Schritt geschah mit Blick auf die sogenannte "verdeckte deutsche Rüstung", die auf Produktionsstätten in neutralen ausländischen Staaten wie Holland, Schweden und die Schweiz auswich, nachdem der Friedensvertrag von Versailles (1919) ein fast vollständiges Verbot der deutschen Rüstungsindustrie durchgesetzt hatte. Für die Heeresleitung in Berlin wurde die "Becker-Kanone" in der Folge in Oerlikon technisch perfektioniert. Mit seiner inzwischen vierköpfigen Familie wohnte Bührle an verschiedenen Adressen in der Stadt Zürich, da er erwartete, nach erfolgtem Einsatz nach Deutschland zurückzukehren.

Franz v. Stuck, Entwurf für ein Signet der Maschinenfabrik Oerlikon, 1906

1929 übernahm Ernst Schalk die Aktienmehrheit der Firma, für die sein Schwiegersohn Emil Bührle inzwischen Lizenznehmer in Italien, Deutschland und Japan gewonnen hatte; Abschlüsse in Europa und Südamerika verbreiteten Fliegerabwehrgeschütze aus Oerlikon auf der ganzen Welt. Mit Beginn der offenen Aufrüstung Deutschlands unter dem NS-Regime wurden deutsche Firmen starke Konkurrenz für die exportabhängige Schweizer Rüstungsindustrie. Umso wichtiger waren grosse Aufträge, die das Oerlikoner Werk aus Frankreich und Grossbritannien erhielt. 1937 übernahm Emil Bührle als alleiniger Inhaber die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. Im folgenden Jahr auferlegte ein neuer Verfassungsartikel dem Schweizerischen Bundesrat erstmals die Kontrolle über Produktion und Export von Kriegsmaterial. 

Im März 1937 erwarb Emil Bührle das Schweizer Bürgerrecht, und im Herbst des Jahres bezog er mit seiner Familie ein grosses Haus an der Zollikerstrasse 178 in Zürich. Gleichzeitig gelangte das Nachbarhaus an der Zollikerstrasse 172 in den Besitz von Bührles Gattin. Es wurde teilweise von den in die Schweiz gezogenen Eltern bewohnt und bald auch für die Lagerung von Bildern genutzt. 1939 wurde das von Emil Bührle erbaute Hotel zum Storchen in der Zürcher Innenstadt eröffnet.

Emil Bührle zur Zeit seiner Ankunft in der Schweiz 1924
Die Zürcher Bürgerrechts-Urkunde für Emil Bührle und seine Familie, März 1937

1940-1950: Zweiter Weltkrieg und Nachkriegsjahre

Die deutsche Besetzung Frankreichs im Sommer 1940 verhinderte weitere Lieferungen der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. an die britische und die französische Armee. Gestützt auf den neuen Verfassungsartikel zur Kontrolle über Herkunft und Vertrieb von Kriegsmaterial und mit Rücksicht auf politische Überlegungen veranlasste die Schweizer Militärbehörde Emil Bührle, Geschütze und Munition nach Deutschland zu liefern. Aufgrund von Plänen, die Bührle vor dem Krieg der britischen Admiralität verkauft hatte, wurden zur gleichen Zeit Oerlikon-Geschütze in Grossbritannien und in den USA produziert. Für umfangreiche Lieferungen an die Achsenmächte beschäftigte das Oerlikoner Werk zeitweise weit über 3'000 Mitarbeiter. 

Luftaufnahme der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co.

Die kriegswirtschaftlichen Anbauvorschriften für Industriebetriebe veranlassten Bührle, im Maggia-Delta im Tessin Landwirtschaftsfläche zu erwerben und einen Musterbetrieb aufzubauen. Das daneben stehende "Castello del Sole" wurde später zu einem Hotel erweitert. 1942 wurde in Oerlikon die christkatholische Kirche eingeweiht, die mit Bührles Hilfe errichtet wurde. Auch trug er mit Bildern und Skulpturen zur Innenausstattung der Kirche bei. In seiner Fabrik liess Bührle die Kantine für die Werkangehörigen mit Wandbildern führender Schweizer Künstler bemalen.

Bei Kriegsende sah sich Emil Bührle nicht nur mit dem generellen Exportverbot für Kriegsmaterial konfrontiert, sondern auch damit, dass seine Firma auf der "Schwarzen Liste" der West-Alliierten figurierte. Noch vor der offiziellen Aufhebung des Listen-Eintrags 1946 liessen sich aber Experten der britischen Armee neue Entwicklungen der Oerlikon Bührle & Co. vorführen. 1947 weilte Bührle in Chicago und verhandelte über Lieferungen an die USA. Ab 1949 wurde das Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial vom Bundesrat einseitig gegenüber den Westmächten gelockert, um die Schweiz im beginnenden "Kalten Krieg" zwischen Ost- und Westblock zu positionieren. 1949 gründete Emil Bührle die Industrie- und Handelsbank Zürich, die ihren Sitz in dem ihm gehörenden Bleicherhof bezog.

Der Angestellten-Speisesaal im Wohlfahrtshaus der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co., Wandbilder von Max Truninger, 1943/44
Emil und Charlotte Bührle bei der Überfahrt in die USA 1947

1951-1956: Internationaler Unternehmer und Mäzen des Kunsthauses Zürich

Emil Bührles Unternehmen wuchs jetzt zu einem weitgefächerten Konzern mit Beteiligungen an Gesellschaften in Deutschland, Italien, Liechtenstein, Indien und Chile. In Italien und Schweden hergestellte Fliegerabwehrsysteme der Tochterfirma Contraves standen bei verschiedenen Mitgliedern der Nato im Einsatz. Die Pilatus Flugzeugwerke in Stans entwickelten eine Reihe von Schulflugzeugen für die Schweizer Armee. Im zivilen Bereich gelangen Erfolge mit Bremssystemen, Büromaschinen, Textilmaschinen und Kunststoffen. In Asheville (North Carolina) wurden 1953 weitläufige Anlagen für die Oerlikon Tools and Arms Corporation of America errichtet. Im Oktober 1956 feierte Emil Bührle mit seinen Mitarbeitern das 50-jährige Bestehen der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co.

Die 50-Jahr-Feier der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, 19. Oktober 1956

1951-52 malte Oskar Kokoschka ein Porträt von Emil Bührle. 1952 und 1953 wurde in Paris ein Wettbewerb um den Prix Buhrle ausgeschrieben. Anders als für die eigene Sammlung traf Bührle die Auswahl dabei nicht selbst, sondern beauftragte eine Jury aus Vertretern des Pariser Kunstlebens. Preisträger waren typische Exponenten der damals bekannten Ecole de Paris.

Oskar Kokoschka, Emil Bührle, 1952
Ausstellungsplakat für den 2. Prix Buhrle

1952 schenkte Emil Bührle dem Kunsthaus Zürich zwei grosse Seerosen-Bilder von Claude Monet, die er im Vorjahr bei einem Besuch in Giverny beim Sohn des Künstlers ausgesucht hatte. Bezahlen liess er die Bilder aus dem von ihm gestifteten Baufonds für einen Erweiterungsbau, aus dem er bereits zuvor den Kauf des Höllentors von Auguste Rodin für das Kunsthaus finanziert hatte. Nach einer Volksabstimmung begann 1954 der Bau des von Bührle gestifteten Ausstellungssaals am Heimplatz. Zur Eröffnung sollte Bührles Sammlung dort gezeigt werden, weshalb er Entscheidungen für ihre dauerhafte Präsentation hinausschob.

28. November 1956: Tod von Emil Georg Bührle in Zürich. Bührle hinterliess keinerlei Anweisungen, was mit seiner Kunstsammlung zu geschehen hatte.

Emil Georg Bührle mit Werkangehörigen kurz vor seinem Tod im Herbst 1956